Aufruf zur „Datenspende“: Welche Nachrichten zeigt die Suchmaschine Google zur Bundestagswahl an?

In den nächsten Wochen wird der Bundestagswahlkampf Fahrt aufnehmen. Parteien, die Kanzlerin und ihr Herausforderer werden sich einen Schlagabtausch liefern. Um sich über aktuelle Entwicklungen zu informieren, nutzen viele Menschen Suchmaschinen im Web. Doch wer bekommt welche Informationen zu sehen? – Das möchte die Informatik-Professorin Dr. Katharina Anna Zweig mit der Nichtregierungsorganisation (NGO) „AlgorithmWatch“ herausfinden. Sie werden hierfür erstmals relevante Daten bei Google und Google News, der Nachrichtenseite des Suchmaschinenanbieters, auswerten. Dazu stellen sie eine Browser-Erweiterung bereit, die Interessierte nutzen können, um ihre Daten zur Verfügung zu stellen.

Im US-amerikanischen Wahlkampf letztes Jahr wurden Stimmen laut, dass bei der Suchmaschine Google bei Suchen nach den Namen der Kandidaten die Treffer in der Ergebnisliste zugunsten der Demokraten ausfallen würden. „In einem Artikel des US-amerikanischen Journalisten und Professors Nick Diakopolous wurde angegeben, dass es unter den ersten zehn Suchergebnissen durchschnittlich mehr positive Berichte gab als in denen der Gegenkandidaten der Republikaner“, sagt Professorin Katharina Anna Zweig von der Technischen Universität (TU) Kaiserslautern. Google wies diese Vorwürfe zurück.

Für den Bundestagswahlkampf möchte das Team um Zweig nun erstmals untersuchen, wem welche Nachrichten angezeigt werden. Es wird dazu Google und Google News unter die Lupe nehmen. „Es ist unklar, ob und wie genau hierbei unsere Daten bei Google genutzt werden und inwieweit eine solche Liste unsere Werte oder politischen Überzeugungen widerspiegelt“, sagt Zweig. Wer die Grünen wähle, habe beispielsweise meist eine andere Sicht auf die Bundeskanzlerin Angela Merkel als auf Cem Özdemir, den Parteivorsitzenden der Grünen. „Bekommt man viele positive Nachrichten oder mehr negative zu einer bestimmten Person zu sehen, je nachdem welche politische Einstellung man vertritt“, fährt Zweig fort.

Werden positive Nachrichten zur Bundeskanzlerin öfter gelistet als die über ihren Herausforderer Martin Schulz? Wer bekommt welche Informationen zu sehen? Wie oft wird welche Quelle zitiert? Welche Rolle spielen ausländische Medien? Wie stark verändert sich dieser Informationsmix bis zur Bundestagswahl Ende September? Um Fragen wie diese zu beantworten, ist die Informatikerin auf Hilfe angewiesen. „Wir bitten die Bevölkerung für unsere Studie erstmals um eine Datenspende“, sagt Zweig. „Als Gesellschaft erhalten wir derzeit keinen Einblick darin, wie unsere Daten im Netz aufbereitet werden. Wir wissen beispielsweise nicht immer, warum Suchmaschinen bestimmte Treffer zuerst anzeigen und andere erst weiter unten in der Liste.“

Das Team um Katharina Zweig bietet dazu eine Software-Erweiterung (Plug-In) an. Wer Interesse hat, kann sie herunterladen und an der Studie teilnehmen. Mit dieser Technik können die Forscherin und ihr Team die Daten auswerten, die bei Google und Google News zu sehen sein werden. „Wir werden bis zu sechs Mal am Tag automatisch von den Computern aus Suchanfragen an Google und Google News schicken können“, sagt Zweig. „Private Suchanfragen und Ähnliches speichern wir nicht.“

Zweig arbeitet hierbei gemeinsam mit der NGO AlgorithmWatch, dessen Mitbegründerin sie ist. AlgorithmWatch hat das Ziel, Prozesse algorithmischer Entscheidungsfindung zu betrachten und einzuordnen, die eine gesellschaftliche Relevanz haben – die also entweder menschliche Entscheidungen vorhersagen oder vorbestimmen, oder Entscheidungen automatisiert treffen.

Die Daten werden außerdem frei für die Allgemeinheit auf einer Webplattform zur Verfügung gestellt. „Unser Projekt ist von einem Datenschützer abgesegnet worden. Wir gewährleisten, dass alle Angaben und Daten anonymisiert behandelt werden“, sagt die Kaiserslauterer Informatikerin. „Für die Kanzlerin und ihren Herausfordert Martin Schulz und andere Spitzenpolitiker sowie für Parteien werden wir jeden Tag überprüfen können, wie sich die Nachrichtenlage bis zur Wahl verändert.“

Mit der Studie erhofft sich die Wissenschaftlerin unter anderem Rückschlüsse darauf, ob sich Ergebnisse in den Trefferlisten unterscheiden und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen.

Die Studie wird vom Forscherteam um Katharina Zweig von der TU Kaiserslautern mit AlgorithmWatch durchgeführt zusammen mit den Landesmedienanstalten Bayern (BLM), Berlin-Brandenburg (mabb), Hessen (LPR Hessen), Rheinland-Pfalz (LMK), Saarland (LMS) und Sachsen (SLM). Eine Medienpartnerschaft mit Spiegel Online gibt dem Projekt zusätzlich eine landesweite Reichweite, um die Datenspende zu realisieren.

Weitere Informationen gibt es unter https://datenspende.algorithmwatch.org/
Auf der Plattform möchten die Forscher am Montag bereits erste Ergebnisse veröffentlichen.

Über Professorin Zweig und AlgorithmWatch

Zweig leitet die Arbeitsgruppe „Algorithm Accountability Lab“ an der TU Kaiserslautern. Sie und ihr Team untersuchen unter anderem Methoden, um Algorithmen zu kontrollieren. Darüber hinaus überprüfen sie, welche Chancen und Risiken solche Rechenverfahren bergen und auch wie sie mittels der verwendeten Daten dazu lernen können. Die Informatikerin hat im vergangenen Jahr gemeinsam mit der Philosophin Lorena Jaume-Palasí sowie den Journalisten Lorenz Matzat und Matthias Spielkamp die NGO „AlgorithmWatch“ gegründet. Ihr Ziel ist es, die Öffentlichkeit besser über die Macht der Algorithmen aufzuklären. Zweig schwebt eine Art Algorithmen-TÜV vor, wie er bereits vom österreichischen Rechtswissenschaftler Viktor Mayer-Schönberger vorgeschlagen wurde. Demnach könnte ein Expertenteam, ähnlich wie Wirtschaftsprüfer, die Codes prüfen und für gut oder aber schlecht befinden. Vertrauenswürdige Rechenverfahren erhielten schließlich ein Siegel und der Kunde würde sehen, dass er nichts zu befürchten habe.

Mehr zur Plattform unter algorithmwatch.org

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