Wirtschaftliche Erholung in Europa durch zweite Coronawelle und Brexit bedroht

Angesichts der zweiten Coronawelle und neuer Lockdowns in verschiedenen europäischen Ländern ist es fraglich, ob der Wirtschaftsaufschwung anhalten wird. Obwohl das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Europäischen Union (EU) im zweiten Quartal 2020 um 11,4 % einbrach, deuteten viele Indikatoren darauf hin, dass im April und Mai der Tiefpunkt erreicht worden war.

Verarbeitendes Gewerbe in Westeuropa zeigt Widerstandskraft

In Westeuropa verlor die Erholung bereits im Sommer an Fahrt, da die Infektionszahlen wieder zunahmen und den Tourismus-, Reise- und Gastgewerbesektor in Mitleidenschaft zogen. Dennoch zeigte sich das verarbeitende Gewerbe robust, unterstützt durch die Wiederbelebung in China, die die Exporte ankurbelte. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostizierte kürzlich eine weitere Erholung ab dem nächsten Jahr (5,2 % und 5,9 % reales BIP-Wachstum für 2021 im Euroraum bzw. im Vereinigten Königreich nach einem geschätzten Rückgang um 8,3 % bzw. 9,8 % in diesem Jahr). Dieses Szenario unterliegt jedoch weiterhin einer sehr großen Unsicherheit, insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts der Verfügbarkeit eines Impfstoffs und der Auswirkungen der kürzlich verhängten Eindämmungsmaßnahmen, die darauf abzielen, die zweite Welle in verschiedenen Ländern einzudämmen. Eine Rückkehr zum negativen BIP-Wachstum im vierten Quartal dieses Jahres ist in diesen Ländern nicht ausgeschlossen. In Großbritannien und bei seinen wichtigsten Handelspartnern in der Region (wie Irland, den Niederlanden und Belgien) würden die Auswirkungen eines No-Deal-Brexit – der mit zunehmender Annäherung an das Ende der Verhandlungsfrist zum 31. Dezember immer wahrscheinlicher wird – die Lage verschärfen – durch erhöhte Handelskosten und Verwaltungsaufwand für die Unternehmen.

Polen dürfte weniger betroffen sein als Nachbarländer

In Mitteleuropa gibt es deutliche Zeichen für eine Erholung der Wirtschaft – ein sich festigender Arbeitsmarkt, ein steigender Einkaufsmanagerindex (PMI) in Polen und Tschechien und eine sich allmählich erholende Industrieproduktion. Diese Erholung könnte jedoch durch die wieder steigenden Neuinfektionen bedroht sein – insbesondere in der Tschechischen Republik, Polen, Ungarn und der Slowakei, wo die täglichen Neuerkrankungen seit Anfang September stark zunehmen. In diesem Zusammenhang wird auch erwartet, dass das reale BIP-Wachstum im Jahr 2020 negativ ist und kurzfristig zudem mit erheblichen Unsicherheiten behaftet.

Es gibt aber signifikante Unterschiede zwischen den Ländern: Der Rückgang in Polen (-3,6 %) – das die am stärksten diversifizierten Exportmärkte aufweist und weniger von der Automobilindustrie abhängig ist – dürfte weniger gravierend sein als bei regionalen Wettbewerbern wie Ungarn (-6,1 %), Tschechische Republik (-6,5 %) und Slowakei (-7,5 %). Die moderate Verschuldung von öffentlicher Hand und privaten Unternehmen vor der Krise trug dazu bei, einen Teil des Schocks in diesen Ländern zu absorbieren. Neben dem mit Covid-19 verbundenen Risiko ergeben sich weitere Risiken aus dem vorzeitigen Rückzug der Unterstützungspolitik, internationalen Handelsspannungen und den Auswirkungen eines harten Brexit.

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