Die wirtschaftliche Lage in Deutschland und der Region Stuttgart ist angespannt: Der Transformationsdruck der Industrie wirkt sich auf das Handwerk aus, steigende Energiepreise und komplexe Genehmigungsverfahren bremsen Investitionen und qualifizierte Fachkräfte fehlen, während der Ausbau von Infrastruktur für Digitalisierung und Energiewende drängt. „Der wirtschaftliche Druck ist enorm und bleibt es leider auch. Umso wichtiger ist es, dass die Politik Halt gibt. Wir brauchen klare politische Leitlinien, damit Handwerksbetriebe nicht auf der Strecke bleiben“, betont Präsident Rainer Reichhold bei der Vollversammlung der Handwerkskammer Region Stuttgart am 8. Dezember.
In den letzten Wochen haben der Bundeshaushalt sowie der Nachtragshaushalt des Landes Baden-Württemberg für das Jahr 2026 erste gute Impulse gesetzt mit Fokus auf Infrastruktur, Bildung, Wohnraum und Digitalisierung. „Die Investitionen im Rahmen des Sondervermögens sind entscheidend, um das Land zukunftsfähig zu machen“, so Reichhold. „Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen jedoch, dass umfangreiche Nachweispflichten, komplexe Ausschreibungen und mehrfach gestaffelte Genehmigungsprozesse dazu führen, dass Mittel zu spät oder gar nicht ankommen.“ Es sei höchste Zeit, dass die öffentliche Auftragsvergabe nicht nur handwerksfreundlich, sondern auch einfacher, schneller und digitaler gestaltet werde. Hoffnung mache das geplante Vergabebeschleunigungsgesetz.
Geld allein baut nicht
Die Investitionen können für Handwerksbetriebe zum Auftragsmotor werden, denn sie sind direkt an der Umsetzung von Transformation und Modernisierung beteiligt. „Doch Geld allein baut nicht“, betont Peter Friedrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart. „Der Fachkräftebedarf im Handwerk ist groß, Arbeit muss aber auch bezahlbar sein. Wir brauchen daher dringend niedrigere Lohnnebenkosten.“ Vor allem im Bereich der Infrastruktur reicht der Nachwuchs im Handwerk nach wie vor nicht, um die Lücke des demografischen Wandels schließen zu können.Die nachhaltige Gewinnung und Qualifizierung von Fachkräften sind jetzt entscheidender denn je.
Positiv bewertet die Kammer daher die zusätzlichen Mittel für die berufliche Bildung: Die Bundesförderung für die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung steigt auf 90 Millionen Euro, für die Modernisierung der Bildungsstätten stehen 55 Millionen Euro bereit. Auch das Land stockt die Mittel für die überbetrieblichen Ausbildungsstätten des Handwerks einmalig auf insgesamt 30 Millionen Euro auf. „Das ist ein wichtiges Signal. Wir brauchen mehr qualifizierte Fachkräfte und die können wir nur in Bildungsstätten aus- und fortbilden, deren Gebäude, Werkstätten und Unterrichtsräume auf dem neuesten Stand der Technik sind“, so Kammerchef Friedrich.
Die Handwerksbetriebe sind Schlüsselakteur bei Bau, Sanierung und Energiewende. Doch am Ende entscheidet das Gesetz, ob sie Teil der infrastrukturellen Transformation werden. „Wir brauchen eine Landespolitik, die den Mittelstand stärkt und die richtigen Weichen stellt – für Infrastruktur, Fachkräfte und faire Wettbewerbsbedingungen“, betont Kammerpräsident Reichhold abschließend.
Welche weiteren Forderungen das Handwerk unter anderem zu den Themen Bürokratieabbau, Betriebsnachfolge und den EU-Binnenmarkt stellt, kann im Handwerkspolitischen Bericht nachgelesen werden: www.hwk-stuttgart.de/hwpb2025-02
Hintergrundinformation
Die ehrenamtlich tätige Vollversammlung ist das oberste Entscheidungsorgan der Handwerkskammer. Sie wird alle fünf Jahre von den Mitgliedern gewählt. Sie setzt sich aus 39 Delegierten zusammen, 13 sind Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmergruppe, 26 Mitgliederinnen und Mitglieder vertreten das selbstständige Handwerk und das handwerksähnliche Gewerbe. Sie bestimmen maßgeblich die Grundsatzentscheidungen der Handwerkskammer und üben das Budgetrecht aus. Im Einzelnen entscheidet die Vollversammlung unter anderem über den Haushaltsplan, die Haushaltssatzung, die Grundbeiträge und den Umlagesatz. Außerdem wählt die Vollversammlung aus ihrer Mitte den Präsidenten, die Vizepräsidenten, den Vorstand und die Ausschussmitglieder.
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